Der Dieselmotor stampft gemächlich vor sich hin. Das Schiff, das sonst von Bremerhaven aus die Pöttetour macht, verlangsamt seine Fahrt. Die Beisetzungsposition ist in Sicht. Ich spreche unter Deck die letzten Worte des Abschiedsrituals. Neben mir die Urne, fest vertäut und ansprechend dekoriert. Gleich wird der Kapitän in der sturm- und wellensicheren Schiebetür erscheinen, die Urne feierlich aus ihrer Verankerung lösen und mit ihr zusammen ans Heck des Schiffes schreiten.

Die Trauergäste, in Gedanken noch bei der Rede und den Erinnerungen, die dadurch wachgerufen werden, wischen sich ein letztes letztes Mal mit ihren Taschentüchern durchs Gesicht. Jetzt kommt der übergroße und besonders schwere Moment des endgültigen Abschieds. Einige schurren unruhig auf ihren Stühlen hin und her. Andere sitzen zusammengesunken da. Schließlich ziehen alle ihre Jacken über und folgen anstandslos dem Kapitän, der sie mit stummem Blick dazu auffordert, ihm hinterher zu gehen.

Kabbeliges Wasser und kräftige Böen begleiten die Trauergäste auf die Plattform des Schiffes, auf der sie sich unter freiem Himmel versammeln. Dunkle Wolkenfetzen wechseln sich mit blauen Abschnitten ab. Das Seebestattungsritual beginnt.

Der Kapitän liest seine vorbestimmten Worte. Wie es das Ritual verlangt, schlägt er die Schiffsglocke an und schon wird die Urne zu Wasser gelassen. Schwer ist sie, so eine Wasserurne. Mindestens fünf Kilo muss sie wiegen, damit sie schnell versinkt und nicht versehentlich auf ihrem Weg zum Meeresboden einem Fischerboot ins Netz gerät. Außerdem ist sie aus einem Material gefertigt, das sich innerhalb kürzester Zeit auflöst.

Tränen fließen, der Moment ist hochemotional, Blumen fliegen hinterher. Längst ist die Urne gesunken, aber der Kranz schwimmt oben. Er ist zu sehen und verschwindet. Und ist zu sehen und verschwindet auf den Bergen und in den Tälern, die das Wasser bildet. Die einzelnen Blüten leuchten hier und da zwischen den Wellen.

Der Schiffsmotor springt an und das Schiff beginnt, immer größer werdende Runden um die Beisetzungsstelle zu ziehen. Eine riesige Welle schwappt von Steuerbord. Nun sind nicht nur die Gesichter nass von Tränen. Auch die Rücken der Trauergäste in ihren regentauglichen Jacken glänzen vor Feuchtigkeit und so manche Frisur ist dem Salzwasser zum Opfer gefallen. Es scheint niemanden zu stören.

Das Schiff hat inzwischen den maximalen Durchmesser der vorgeschriebenen spiralförmigen Bahnen erreicht und dreht ab Richtung Hafen, wo es anderthalb Stunden später bei Dämmerung einlaufen wird.

Die Menschen an Bord entspannen sich. Getränke und Schnittchen tun ihr Übriges, um die letzten Tränen zu trocknen und ein Stück Normalität einkehren zu lassen, selbst wenn das Leben so unnormal ist, wie lange nicht mehr. Windzerzaust, tränengeschüttelt und gleichzeitig irgendwie erleichtert verlassen sie das Schiff, das am nächsten Vormittag zur nächsten Pöttetour ausläuft.

So geschehen am Samstag, 5. September, wo ich zusammen mit einer Trauergesellschaft um 17.30 Uhr von Bremerhaven aus auf der MS Geestemünde zu einer Seebestattung aufgebrochen bin. Ich weiß nicht, ob ich selbst so bestattet werden möchte, wenn ich mal gestorben sein werde. Aber es hat was. Eine starke Symbolkraft. Und für Menschen, die das Wasser lieben, eine echte Alternative.

Welche Beisetzungsgeschichten kannst du erzählen? Was hat dich besonders bewegt und beeindruckt? Ich freue mich, wenn du mich daran Anteil haben lässt.

Ich wünsche dir eine wunderbare, windzerzauste Spätsommerwoche!

Von Herzen,

deine Katharina

P.S. Kennst du schon den neuen Zuspruchkalender 2021? Falls nicht, dann schau mal hier!

Zitat der Woche: „Um seine Bestattung wird der Weise sich keine Sorge machen.“ (Epikur von Samos)