Es gibt sie, die Begriffspaare, die ohne einander nicht existieren können. Dazu gehören die Adjektive hell und dunkel, hoch und tief, groß und klein und die Substantive Wärme und Kälte, Leben und Tod, Anfang und Ende. Mir fällt bei mir selber auf, dass ich jeweils das Wort, mit dem ich vermeintlich Besseres assoziiere, nach vorne stelle. Das tue ich auch, wenn ich diese Begriffe im Alltag benutze. Habe ich das so gelernt oder ist es meine eigene Art die Dinge, die mich umgeben, zu beschreiben?

Ich habe den deutlichen Eindruck, dass ich so geprägt und mir das so beigebracht wurde. Es gibt zum Beispiel eine Messe, die sich mit den Fragen des Lebensendes beschäftigt, die heißt „Leben und Tod“. Ich frage mich seit Jahren schon, warum sie nicht „Tod und Leben“ heißt, wo doch der Tod der Aufhänger für die ganze Veranstaltung ist.

Wir erleben es gerade, wie der Sommer in den Herbst übergeht. Abgesehen davon, dass in diesem Jahr in unseren Breiten der Herbst kommt, bevor es einen richtigen Sommer gab, geht doch etwas zu Ende. Mit etwas Wehmut realisieren wir, dass erst im nächsten Jahr wieder Sommer sein wird, und wer weiß, was bis dahin ist?

Im Wechsel von der einen Jahreszeit in die andere passt es nicht, Anfang und Ende zu sagen. Denn im Moment geht gerade etwas zu Ende und etwas Neues fängt an. Also Ende und Anfang. Der Perspektivwechsel und das Austreten aus den Gewohnheiten lohnen sich also. Ende und Anfang. Das klingt ungewohnt, aber es so zu sehen und zu denken, dabei befinde ich mich in illustrer Gesellschaft.

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend / Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend / Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern. / Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe / Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, / Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern / In andre, neue Bindungen zu geben. / Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, / Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, / An keinem wie an einer Heimat hängen, / Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen, / Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten. / Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise / Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, / Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, / Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde / Uns neuen Räumen jung entgegensenden, / Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden… / Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Hermann Hesse

Etwas geht zu Ende und etwas Neues fängt an. Beim Wechsel der Jahreszeiten und vielleicht auch beim Übergang vom Leben in den Tod. Tod und Leben.

Ich wünsche dir eine perspektivwechselreiche Woche von Mittwoch zu Mittwoch,

deine Katharina

Zitat der Woche: „Wenn dir jemand erzählt, dass die Seele mit dem Körper zusammen vergeht und dass das, was einmal tot ist, niemals wiederkommt, so sage ihm: Die Blume geht zugrunde, aber der Same bleibt zurück und liegt vor uns, geheimnisvoll, wie die Ewigkeit des Lebens.“ (Khalil Gibran)

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Ein Leben geht zu Ende…