Während ich diese Mail schreibe, durchflutet warmes Herbstlicht den Garten vor meinem Fenster. Die Vögel piepen und zwitschern, keifen und zetern. Sie holen sich ihr Futter ab, das ich ihnen Tag für Tag ausstreue, nachdem ich von verschiedenen Umweltschutzorganisationen die Information bekommen habe, es sei gut, die Vögel ganzjährig zu füttern. So ist klammheimlich der Sommer in den Herbst übergegangen. Mit täglichen, kleinen Ritualen, mit einem liebevollen Blick auf die Lebewesen, die neben uns existieren, mit Handlungen, die winzig erscheinen mögen, die aber den Unterschied ausmachen zwischen teilnahmslos vor sich hin leben und aufmerksam sein für alles, was lebt.

So viele Menschen sagen, es sei egal, es nütze ja ohnehin nichts. „Das bisschen, was ich tun kann…“, und schütteln resigniert den Kopf. Du kannst so viel tun. Du hast dein Leben in der Hand. Jede freundliche Geste, jedes zugewandte Gespräch, jedes Zuhören und unter die Arme greifen, jedes kleine bisschen Wachheit für die Umstände von Mensch, Tier und der Natur im Ganzen – es sind Menschen, die das tun und tun können. Und du gehörst dazu. Ein kleiner Beitrag von deiner Seite reicht aus, denn wir sind viele, die einstimmen in den Klang des Wesentlichen. Ich zumindest freue mich, nicht allein zu sein. Alles, was lebt, umfängt mich, und die Verstorbenen sind nach wie vor an meiner Seite. Sie stärken mich und lenken behutsam von der anderen Seite der Grenze, die Leben und Tod voneinander trennt. Damit mein Handeln einen Sinn hat und mein Tun ein Ziel. Mitten in dem Raum, in dem wir alle existieren, tot oder lebendig.

Denn: alles Sterben und Vergehen ist nur „heimlich still vergnügtes Tauschen“. Wo ich das her habe? Von einem, der den Herbst so schön beschrieben hat wie kaum ein*e andere*r es vermag.

Herbst

Rings ein Verstummen, ein Entfärben: / Wie sanft den Wald die Lüfte streicheln, / Sein welkes Laub ihm abzuschmeicheln; / Ich liebe dieses milde Sterben.

Von hinnen geht die stille Reise, / Die Zeit der Liebe ist verklungen, / Die Vögel haben ausgesungen, / Und dürre Blätter sinken leise.

Die Vögel zogen nach dem Süden, / Aus dem Verfall des Laubes tauchen / Die Nester, die nicht Schutz mehr brauchen, / Die Blätter fallen stets, die müden.

In dieses Waldes leisem Rauschen / Ist mir als hör‘ ich Kunde wehen, / dass alles Sterben und Vergehen / nur heimlich still vergnügtes Tauschen.

Nikolaus Lenau (1802-1850)

Dieses Gedicht lässt mich in süß-sehnsüchtigem Herbstschmerz versinken – und wieder auftauchen zu mir selbst.

Ich wünsche dir eine herbsterfüllte Woche von Mittwoch zu Mittwoch,

deine Katharina

Zitat der Woche: „Alles, was schön ist, bleibt schön, auch wenn es welkt. Und unsere Liebe bliebt Liebe, auch wenn wir sterben.“ (Maxim Gorki zugeschrieben)