Sich in traurigen Zeiten zurückzuziehen, ist ein ganz normales Verhalten, was die Seele schützen und verhindern soll, dass zu viele Gefühle aufbrechen. Die meisten Menschen mögen es nicht, ihre Traurigkeit offen zu zeigen und vor anderen in Tränen auszubrechen. Was ich dir heute schreibe, stellt das nicht in Abrede. Natürlich sollst du deinen persönlichen Schutzraum wahren. Du hast in jedem Moment deines Lebens das Recht auf Privatheit.
Ich will dir den Tipp geben, genau hinzuschauen, ob es dir hilft, ganz für dich zu sein, oder ob es dir schadet. Aus den Erzählungen vieler Trauernder weiß ich, dass Rückzug nicht immer die beste der möglichen Lösungen ist. Nämlich dann, wenn eine trauernde Person eigentlich das Bedürfnis danach hat, sich auszutauschen, lediglich nicht weiß, mit wem. Dieses „nicht wissen“ kann, über mehrere Wochen und Monate fortgesetzt, dazu führen, dass die inneren Blockaden immer größer werden und die Hürden, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen, höher.
Wie kriege ich bloß das erste Wort heraus? Was ist, wenn ich nicht verstanden werde? Wie komme ich mit blöden Reaktionen klar? Was mache ich, wenn mir die Tränen kommen? Wie kann ich mich wehren, wenn ich nicht die ganze Geschichte nochmal und nochmal erzählen will?
Meistens sind die Blockaden im Kopf sehr viel größer als die in der Realität. Deshalb habe ich selber und auch die Trauernden, die ich begleite, sehr gute Erfahrungen damit gemacht, einfach mal niedrigschwellig anzufangen, Kontakte aufzubauen. Fällt dir nicht sofort eine Person ein, zu der du Vertrauen haben kannst und bei der du dich absolut sicher fühlst, dann kannst du versuchen, in unverbindlichen Alltagssituationen mal wieder ins Gespräch zu kommen. Damit du merkst, dass es funktioniert, dass du das kannst und nichts Schlimmes passiert. Mit der Zeit traust du dich vielleicht etwas mehr oder du suchst möglicherweise sogar Anschluss an eine Gruppe Trauernder. Dort ist der Austausch leichter als woanders, weil alle einen ähnlichen Erfahrungshintergrund haben.
Ein Anfang kann es sein, dir vorzunehmen, jeden Tag mit mindestens einer Person zu sprechen. Und sei der Austausch noch so kurz – in der Regel hilft er!
Ich wünsche dir von Herzen eine gesprächsintensive Woche von Mittwoch zu Mittwoch,
deine Katharina
Zitat der Woche: „Es ist besser, ein einziges kleines Licht anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.“ (Konfuzius)