Der Sommer hat begonnen. Lange Tage, viel Licht, kurze Nächte, wenig Dunkelheit. Die Natur hat ihren Lauf. Sie kümmert sich nicht um Außergewöhnliches, um Corona, Trauerfälle und persönliche Sorgen. Dem Sommer ist es gleichgültig, ob du ihn am Strand verbringst, im Café am Straßenrand mit 1,50 Meter Abstand oder mit heruntergezogenen Jalousien und einem Taschentuch in der Hand in deinem Zuhause.

Fakt ist, dass wir zum Start in diese Jahreszeit das sommersonnigste Wetter haben. Manche denken an die durch den Klimawandel beeinflussten Temperaturen und gucken mit Sorge auf das kletternde Thermometer. Andere suchen gezielt den Schatten, weil es ihnen zu warm ist. Die nächsten können nicht genug von der Sonne kriegen und tanken sie in jeder freien Minute.

Ich weiß aus der Begleitung Trauernder, dass viele dem Sommer mit gemischten Gefühlen entgegensehen. Denn das gleißende Licht und der immerwährende Sonnenschein machen ihnen einmal mehr bewusst, wie dunkel und traurig es gerade in ihrem eigenen Leben aussieht. Die Sonne stört mehr, als dass sie wärmt. Und das, was hell und freundlich und Wärme spendend daherkommt, ist nicht zum Aushalten. Es wird durch die Brille der Dunkelheit betrachtet, verliert Glanz und Strahlkraft.

Wie in Zeiten der Verliebtheit die rosarote Brille das gesamte Leben verzaubert und erst recht die angebetete Person, so kann in Phasen der Trauer die Sonnenbrille des Lebens jedes Erlebnis verdüstern und die Welt mit einem Schatten überziehen, der nicht weichen will. In Verliebtheit und Trauer wird gleichermaßen zu schauen sein, wann es angemessen ist, die Brille zu tragen, und wann sie vielleicht abgenommen werden sollte.

Es gibt Lebenssituationen und -zustände, während derer Menschen immerzu die Dunkelheit verbreitende Brille tragen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit auf den Schatten im Licht. Vermutlich kennst du Personen aus deinem Umfeld, bei denen es so ist. Möglicherweise beobachtest du diese Angewohnheit auch bei dir selber.

Du hast die Wahl: Benötige ich die Sonnenbrille des Lebens, weil mir gerade alles zu hell ist? Bin ich in der Lage sie abzusetzen, wenn ich meinen Weg ohne die Brille besser erkenne? Sorge ich gut für mich oder verstecke ich mich in der Dunkelheit, wo doch das Licht mich heilen könnte? Fragen über Fragen, die nur du beantworten kannst.

Ich wünsche dir ein ausgewogenes Verhältnis von Licht und Schatten in deinem Leben. Ich wünsche dir die Dunkelheit, wenn Zeit ist für das Dunkelsein. Aber ich wünsche dir auch ausreichend Licht, damit du deine Kraftreserven auftanken kannst und deiner Seele Heilung widerfährt. Und vor allem wünsche ich dir die Fähigkeit, unterscheiden zu können, wann du das eine und wann du das andere brauchst. Schatten im Licht und Licht im Schatten.

Von Herzen alles Liebe,

deine Katharina