Zugegeben, jeder Mensch ist besonders. Aber dann gibt es noch welche, die sind besonders besonders. Und auf so einen Menschen bin ich letzte Woche gestoßen.
Ich hielt eine Trauerfeier auf einem der Delmenhorster Friedhöfe. Ein älterer Herr war verstorben, über den es vieles, sehr vieles zu erzählen gibt. Aber nicht er ist es, der Eingang in meine Mittwochs-Mail finden soll, sondern einem seiner Enkelsöhne gebührt dieser Platz. Warum? Weil er ein besonderes Kind ist oder vielmehr ein besonderer Jugendlicher.
Der Junge, nennen wir ihn Lasse, ist 17 Jahre alt, und er hat eine Behinderung. Zunächst war die Frage, ob er überhaupt bei der Trauerfeier dabei sein würde, aber dann war er es. Und sämtliche Trauergäste mussten sich auf ihn einstellen. Auch der Bestatter, auch die Sargträger, auch ich.
In der Kapelle war es so, dass er der Einzige war, der seine Gefühle unmittelbar lebte. Was er fühlte, hat er getan, was er dachte, ungefiltert ausgesprochen. Alle Beteiligten mussten damit umgehen.
Am Grab dann passierten verschiedene Dinge, die hoffentlich nicht nur mich ins Nachdenken oder auch zum Schmunzeln brachten. Denn während der Sarg heruntergelassen wurde, rief Lasse seinem Großvater hinterher: „Tschüss, Opa, es war schön mit dir!“
Später, nachdem er bereits mit seinem Vater am Grab gestanden und Sand und Blumen geworfen hatte, beobachtete er die Trauergäste, die ebenfalls an das Grab traten. Einer von ihnen nahm die Schaufel und warf damit Sand auf den Sarg. Das bemerkte Lasse, und er rief: „Nicht so viel Sand!“
Und die dritte von Lasses Reaktionen auf die Situation des Abschieds war folgende: Die Trauergäste kamen vom Grab und kondolierten der Familie. Viele gaben die Hand und sagten: „Mein Beileid!“ Auch zu Lasse. Auf einmal drehte er sich zu seinem Vater um und fragte: „Was ist Beileid?“ – Ja, was ist eigentlich Beileid? Sein Vater gab sich sehr viel Mühe damit, es ihm zu erklären. Und er hat es gut gemacht.
Für mich war die Begegnung mit Lasse angesichts dieser Trauerfeier eine sehr bereichernde und erfrischende, denn weil er als besonderer Jugendlicher anders reagiert als wir mit all unseren Regeln, Grenzen und Gepflogenheiten im Kopf, konnte er allen anderen dabei helfen, die Abschiedssituation aufzubrechen und neu zu interpretieren.
Ja, du kannst den Verstorbenen zum Abschied ein Dankeschön hinterherrufen, gerne laut vernehmbar. Ja, du kannst dich fragen, wie viel Sand zu werfen angemessen ist und es zu viel finden, was jemand anders nimmt. Und ja, du hast das volle Recht zu erfahren, was gerade passiert, und du darfst durch deine Fragen dazu beitragen, verkrustete Gewohheiten aufzubrechen und sie damit in einem tiefen Sinne erfahrbar zu machen.
Ich bin so dankbar für die Begegnung mit Lasse, diesem besonderen, besonderen Menschen, der mich so vieles gelehrt hat – und nicht etwa umgekehrt.
Ich wünsche dir in dieser Woche von Mittwoch zu Mittwoch von Herzen eine Begegnung mit einem besonderen, besonderen Menschen, die deine Sicht auf das, was du zu kennen glaubtest, verändert,
deine Katharina
Zitat der Woche: „Der Gedanke an den Tod ist immer heilsam, er tötet nicht, wie man annehmen möchte, er weckt.“ (Jakob Boßhart)
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