Wenn Leute, meinen Beruf betreffend, zu mir sagen: „Ich könnte das nicht!“ Dann meinen sie nicht nur, dass ihnen in der Situation des Abschieds die Worte fehlen würden.

Meine Erfahrung ist vielmehr, dass viele sich nicht vorstellen könnten, mit Trauernden ins Gespräch zu kommen. Tatsächlich ist die Hürde unendlich hoch, Menschen zu begegnen, die akut von Trauer betroffen sind. Und das tust du, wenn du als Trauerredner:in arbeitest. Du stehst bei den Leuten vor der Tür, klingelst und hast es vom ersten Moment der Begegnung an mit dem Thema Abschied zu tun.

Solche Gespräche mit den Angehörigen gehören unabdingbar zu meinem Beruf dazu.

Viele meiner Kolleginnen und Kollegen nennen diese Gespräche Vorgespräche. Das sind sie in gewisser Weise auch, weil sie zur Vorbereitung der Abschiedsfeier dazugehören. Für mich trifft diese Bezeichnung aber nicht die Funktion eines solchen Gespräches. Vorgespräche führst du in sachlichen Situationen, wenn es Sachverhalte zu klären gibt.

Ich nenne die Angehörigengespräche ganz bewusst Trauergespräche. Warum ich das tue? Weil ich bei jedem dieser Gespräche mitten hinein in die Trauer derjenigen gehe, die unmittelbar von einem Verlust betroffen sind. Nahezu jede Person im Raum – mit Ausnahme von mir – ist traurig.

Die Situation ist deswegen seelsorgerlich, tröstend und teilweise therapeutisch. Was sie keinesfalls ist, ist sachlich. Das Wort Vorgespräch wird also der Komplexität dessen, was dort stattfindet, nicht gerecht.

Ich habe den Verdacht, dass Kolleg:innen, die im Trauerfall von Vorgespräch sprechen, einer Tabuisierung der Trauer in unserer Gesellschaft Vorschub leisten. Sie tun das wahrscheinlich nicht bewusst, aber faktisch passiert es. So nach dem Motto: Sprechen wir mal lieber nicht von Trauer, dann tut es nicht so weh.

Aber es tut weh. Abschied nehmen zu müssen, tut unfassbar weh. Und wir brauchen als Rednerinnen und Redner Menschen, die es sich zutrauen, mitten in den Schmerz hineinzugehen und dort wohltuend zu wirken. Mit ihrem Wesen und ihrem Worten.

Bei meiner Ausbildung für Trauerredner:innen lege ich sehr viel Wert darauf, dass die Teilnehmenden sich mit ihrer eigenen Biografie und auch mit ihrer Trauer auseinandersetzen. Das ist nötig, damit sie im Trauerfall professionell agieren können.

Wir sollten das Kind beim Namen nennen. Ein Trauergespräch ist ein Trauergespräch. Ich habe den Eindruck, dass die Angehörigen in den Gesprächen mit mir meine Haltung spüren. Sie wissen, ich bin bereit dazu, von ihrer Trauer zu hören, sie mit ihnen zusammen auszuhalten und gleichzeitig lebendige Erinnerungen zu teilen.

Ich wünsche dir von Herzen eine wohltuende Woche von Mittwoch zu Mittwoch,

deine Katharina

Zitat der Woche: „Was wäre das Leben ohne den Tod? Wäre der Tod nicht, es würde keiner das Leben schätzen; man hätte vielleicht nicht einmal einen Namen dafür.“ (Jakob Boßhart)

 

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